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Elternseminar Essstoerungen 1„Dass Lebensgefahr bestand, war mir nicht bewusst.“ Mit Aussagen wie dieser beeindruckte Luisa Landwehr, ehemalige Schülerin der Fürstenberg-Realschule Recke die Zuhörer, als sie im Rahmen des von der Schule angebotenen Elternseminars zum Thema „Wenn Essen zum Problem wird“ berichtete. Eingeladen zu dieser Veranstaltung hatte die Schule, das Thema Essstörungen selbst war von Eltern im Vorfeld mehrfach gewünscht worden.

Tanja Brügge-Feldhacke, Beratungslehrerin der Schule, hatte sich im Vorfeld um Referenten bemüht und scheinbar hatte sie die richtigen Expertinnen eingeladen: Obwohl die Veranstaltung sich über die Dauer von zweieinhalb Stunden hinzog, blieb die Konzentration der Zuhörer bis zum Schluss hoch. Und das lag nicht zuletzt auch an den Ausführungen Luisa Landwehrs, die im Anschluss an ihren Beitrag auch auf Fragen der Eltern einging.

In einem informativen Vortrag hatte zunächst Gaby Brodesser, Beraterin des Vereins „Frauen helfen Frauen“ aus Münster, in das Thema eingeführt. Neben den verschiedenen Ausprägungen des Krankheitsbildes „Essstörungen“ – dazu gehören unter anderem die Magersucht, die Bulimie, aber auch das „Binge Eating“ (ungezügeltes Essen oder auch Fresssucht) – ging sie ausführlich auf die vielfältigen Ursachen für Essstörungen ein. Häufige Ursache für den Ausbruch der Erkrankung seien Umbruchsituationen, etwa der Verlust eines Angehörigen, Studienbeginn, Konflikte im (familiären) Umfeld der Betroffenen, aber auch bestimmte Lebensphasen wie die Pubertät und auch die Menopause. Hinzu kämen gesellschaftliche Einflüsse wie das von den Medien vermittelte Schlankheitsideal. Nicht nur junge Mädchen, sondern auch erwachsene Frauen seien betroffen und die Zahl erkrankter Jungen steige ebenfalls an.
Obwohl die Erkrankten in verschiedenen Bereichen häufig recht erfolgreich seien, etwa was schulische oder berufliche Leistungen angehe, gingen Essstörungen in der Regel mit einem geringen Selbstwertgefühl der Erkrankten einher. Hinter der Essstörung stehe, so Gaby Brodesser, vielfach ein ungelöster Konflikt, der den Betroffenen oft selber so nicht bewusst sei. Die Krankheit sei ein Versuch, Probleme zu lösen, die man scheinbar anders nicht lösen könne. Über die Kontrolle der Kalorien, die man zu sich nehme – oder auch nicht – wolle man Stärke zeigen. Vielfach spürten die betroffenen Personen im Falle der Erkrankung eine Art der Zuwendung, die ihnen zuvor versagt geblieben war. Die Selbstwahrnehmung des eigenen Körpers sei krankheitsbedingt extrem verzerrt, während man das körperliche Erscheinungsbild anderer Menschen durchaus realistisch einschätzen könne. Auch der Umgang mit dem Thema Essen in der Familie sei bedeutsam: Häufig fänden familiäre Auseinandersetzungen während des Essens statt. Essen werde als Belohnung, etwa in Form von Süßigkeiten, oder auch als Druckmittel – beispielsweise der Zwang zum Leeressen des Tellers – eingesetzt. Das fortdauernde Reden über die Figur, die ständige Durchführung verschiedener Diäten gehörten ebenfalls dazu. Ein positives Erziehungsverhalten, das Gefühle zulasse, sei hilfreich, um Essstörungen vorzubeugen. Dazu gehöre das konfliktfreie Essen in der Familie, das Respektieren des unterschiedlichen Essverhaltens, vor allem auch die Förderung von Selbstvertrauen und Eigeninitiative der Kinder. „Das Kind muss Selbstwirksamkeit erfahren“, so die Referentin.

Elternseminar Essstoerungen 2Luisa Landwehr bestätigte durch die Schilderung ihrer Geschichte im Ganzen die zuvor gehörten Informationen. Am Anfang habe bei ihr, so die Schülerin, der Wunsch gestanden, zwei Kilo abzunehmen. Am Ende stand ein halbjähriger stationärer Klinikaufenthalt. „Meine Gedanken waren immer beim Essen.“ Schon nachts habe sie nur daran gedacht und Kalorien gezählt. „Ich hatte die Kontrolle über meinen Körper“, so die ehemalige Schülerin, „aber meine Selbstwahrnehmung war verzerrt. Mitschüler konnte ich zwar richtig einschätzen, aber ich selbst habe mich ständig zu dick gefühlt.“ Es habe sie zeitweise „stolz gemacht“, wenn Mitschülerinnen sie auf ihren Gewichtsverlust angesprochen hätten. Schließlich habe sie sich an ihre Mutter gewandt, die dann mit ihr gemeinsam eine Beratungsstelle aufgesucht habe, über die dann eine ärztliche Betreuung eingeleitet wurde. Trotzdem verschlechterten sich ihre medizinischen Werte weiter. Am  Ende sei dann ein stationärer Aufenthalt erforderlich geworden, da akute Lebensgefahr bestanden habe. Mit der therapeutischen Unterstützung während des Klinikaufenthaltes, die auch zurzeit noch ambulant fortgesetzt werde, sei es ihr heute wieder möglich, normal zu essen: „Heute erlebe ich Essen wieder als Genuss.“

Anlaufstelle für Betroffene, die Hilfe suchen, ist beispielsweise die Caritas mit ihren Beratungsstellen. Die Fürstenberg-Schulen kooperieren mit der Caritas-Stelle in Ibbenbüren. Ansprechpartner in der Schule kann Herr Reiners (Diplom-Psychologe) von der Caritas Ibbenbüren sein, mit dem alle 14 Tage am Mittwoch ein Termin für ein persönliches Gespräch vereinbart werden kann. Wir verweisen auf die Terminübersicht im Terminkalender unserer Homepage.


Selbsthilfegruppe für Eltern von betroffenen Kindern:

  • Ansprechpartner: Frau Bus
  • Telefon: 02552 / 98461
  • Homepage: www.essstoerungen-muensterland.de
  • Treffen: Jeweils einmal im Monat / eine Gruppe in Emsdetten und in Münster