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Ujamaa Artikel aus dem Jahrbuch 1988/89 Seit fast 10 Jahren fördert unsere Schule ein Projekt in Tansania. Im Süden Tansanias, in der Diözese Tunduru Masasi, liegt das Dorf Lukuledi. Die Diözese unterhält in Lukuledi die einzige Kraftfahrzeug-Werkstatt für alle Fahrzeuge und Maschinen des Bistums, das so groß wie ganz Nordrhein-Westfalen ist. Die Werkstatt war sehr heruntergekommen, da seit vielen Jahren eine geeignete Leitungskraft fehlte. Die Fürstenbergschule hat zunächst finanzielle Hilfe zum Kauf von Werkzeug und Maschinen geleistet. Besonders glücklich war der Umstand, dass vor 6 Jahren ein junger Kraftfahrzeug- Mechaniker, Michael Göcke aus Recke-Steinbeck, sich bereit fand, die Leitung der Werkstatt in Lukuledi zu übernehmen. Seine Arbeit haben wir an der Fürstenbergschule mit großem Interesse verfolgt und dadurch viel über die Situation eines der ärmsten Länder der Welt gelernt. Mit sehr hohen Geldbeträgen haben wir die Material- und Personalkosten der Werkstatt mitfinanziert. Hauptträger und Zahlmeister war und ist MISEREOR. Vor anderthalb Jahren kehrte Michael Göcke nach Deutschland zurück. Er brachte eine aus Ebenholz geschnitzte Holzfigur mit, einen Lebensbaum, den man in Kisuaheli "Ujamaa" nennt. Michael Göcke schenkte diesen drei Meter großen Lebensbaum der Fürstenbergschule als Zeichen des Dankes und auch künftiger Solidarität und Verbundenheit mit Tansania. Seither steht er in der Schüler-Bibliothek der Fürstenbergschule. In einem Gottesdienst wurde der Lebensbaum aus Lukuledi der Schule übergeben. Damals, am 22. Dezember 1988, sagte Michael Göcke etwa folgendes: "Während der vier Jahre in Tansania habe ich viel gelernt. Ich habe zum einen gelernt, wie sehr das Zusammenleben der Menschen in Tansania davon geprägt ist, dassß man mit Verwandten und Freunden teilen muss. Als ich einen Freund suchte, war ich anfangs davon verwirrt, dass mein Freund von mir erwartete, dass ich das, was ich hatte, mit ihm teilte. Ich habe mich ängstlich wieder zurückgezogen. Aber dann habe ich immer mehr erkannt, daß die Tansanier im Alltag wirklich alles miteinander teilen. Und man kann in Tansania nur dann einen Freund haben, wenn man mit ihm alles, was man hat, teilt. Zum anderen habe ich gelernt, dass meine Arbeit in de Werkstatt von Lukuledi und die konkrete Hilfe für die Bevölkerung, die durch Unterstützung der Fürstenbergschule möglich geworden ist, zum Schlüssel einer festen Verbindung zwischen Recke und Lukuledi geworden ist. Die materielle Hilfe, die Ihr von der Fürstenbergschule aus gegeben habt, ist der Schlüssel, der passt! |
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Die Menschen in Lukuledi und in der Diözese Tunduru Masasi wissen, dass Ihr ihnen helft. Und sie verlassen sich darauf, dass ihr auch in Zukunft zu der Freundschaft steht, die zwischen Recke und Tansania entstanden ist. Ich habe schon nach dem ersten Jahr in Tansania begonnen zu überlegen, wodurch ich den Dank und die Freundschaft der Menschen im Süden Tansanias zum Ausdruck bringen könnte. Zum Glück habe ich in Lukuledi einen sehr guten Künstler kennen gelernt. Ihn habe ich gebeten, für die Fürstenbergschule eine große Holzfigur zu schnitzen. Wir sind in den Busch gegangen, haben gemeinsam nach einem geeig- neten Ebenholzbaum gesucht, ihn in müheseliger Arbeit mit einem Teil seiner Wurzeln ausgegraben und ins Dorf transportiert. Dort hat der Künstler ein halbes Jahr lang gearbeitet. Die Arbeit am Ebenholz ist sehr schwer, weil es das härteste Holz Afrikas ist. Mit ganz scharfen Messern und kleinen Beilen kann man immer nur hauchdünne Schichten des Holzes abtragen. Deshalb ist das Schnitzen sehr mühsam und langwierig. Aber am Ende ist ein ganz wunderbarer "Lebensbaum" mit über 40 Menschenfiguren dabei entstanden, wie ich ihn sonst noch nie gesehen habe. Der "Lebensbaum" zeigt, wie die Menschen in Tansania ihr ganzes Leben miteinander teilen. Und er soll hier in der Fürstenbergschule ebenfalls Ausdruck des Teilens sein, das Ihr mit der Diözese Tunduru-Masasi praktiziert. |
Einige Jahre hat der Lebensbaum in unserer Schülerbibliothek gestanden bis er an seinem jetzigen Standort, der Arche, einen dauerhaften Platz fand. |
Gleichzeitig soll er Euch daran erinnern, dass da eine Beziehung, eine Freundschaft entstanden ist, die man nicht einfach wieder abbrechen kann. In Lukuledi verlässt man sich auch in Zukunft auf Euch! Und schließlich ist der "Lebensbaum" das sichtbare Zeichen des Dankes für alle Hilfe, die ihr in der Vergangenheit schon geleistet habt! ich danke Euch!' Betrachten wir diesen Lebensbaum etwas genauer. Im Wurzelbereich entdeckt man viele kleine und größere, ineinander verschlungene Figuren. Es sind Menschen, teilweise erst halb erschaffen, noch schlafend, die von anderen ins Leben gezogen werden. Auch Tiere gibt es da zu sehen: Frösche, Löwen, ein Krokodil. Menschen und Tiere gehen aus einer gemeinsamen Wurzel hervor. Noch im Wurzelbereich, aber schon zum Stamm hinstrebend, liegt ein Menschen-paar. Mit Händen und Füßen streichelt einer den anderen. Zärtlichkeit und Liebe sind die tiefsten Wurzeln des Menschen; sie sind die Wurzeln, aus denen alles menschliche Leben hervorgeht. Langsam beginnt der Baum zu wachsen. Menschen wachsen aus Menschen hervor, türmen sich auf zu einer Menschenpyramide. Sie hocken, knien, sitzen - einer neben dem anderen und einer auf dem anderen. Alle scheinen wie mit einem Seil verbunden. Kinder essen Mangofrüchte; eine Frau trägt ein Kind; ein Mann ist bei der Arbeit. Jung und alt, klein und groß, alle drängen sie nach oben. Da steigt einer dem anderen buchstäblich aufs Haupt, hält sich an dem Menschen über ihm fest, klettert durch das Menschengebirge. Einer hat es geschafft. Seine Hände klammern sich an die obersten Zweige des Baumes. Er muß sich halten, um oben zu bleiben. Schüler haben sehr unterschiedliche Meinungen zu dem Lebensbaum geäußert. Einer meinte: "Alle Menschen versuchen, nach oben, an die Spitze zu gelangen; dabei helfen sie einander. Sie ziehen den Nächsten mit. Auch die Tiere, die in die Wurzel eingearbeitet sind, gehören wie selbstverständlich mit dazu. Sie sind Teil der Schöpfung. - Mir zeigt der Lebensbaum Frieden und Gemeinschaft und das Teilen miteinander. Die Menschen teilen Brot und Liebe und Geborgenheit, Vertrauen und Leben." Ein anderer äußerte sich so: "Mir ist der "Kletterer" besonders aufgefallen. Um hochzukommen, stellt er einen Fuß sogar auf den Kopf eines anderen. In der einen Hand hält er ein Paket, vielleicht sein ganzes Hab und Gut. in der anderen Hand hält er etwas Essbares. Aber ein anderer isst es ihm weg. Ich habe den Eindruck, der Mann versucht zu überleben. Er versucht alles, auch wenn er andere dabei unterdrückt und in den Staub tritt." Jemand hat gesagt: "Ich sehe in der Darstellung gewisse Gegensätze. Auf der einen Seite zeigt sich Armut, der Kampf um's nackte Überleben, ein Kampf, der auch auf Kosten anderer geführt wird. Auf der anderen Seite ist aber auch die Bereitschaft zur Hilfe zu erkennen, das Bewusstsein, dass man nur in der Gemeinschaft wahrhaft lebt!' Schüler und Lehrer der Fürstenbergschule sind auf dieses außergewöhnliche Geschenk sehr stolz. Gleichzeitig erinnert es uns aber auch jeden Tag an unsere Freunde in Tansania. Ihnen zu helfen, fühlen wir uns auch weiterhin verpflichtet. Dazu gehört auch, dass wir, wie in den letzten zehn Jahren, alle zwei Jahre einen Weihnachtsbasar durchführen. Das Projekt in Lukuledi selbst wird derzeit durch Dietrich Osswald und seine Frau Gerlind weitergeführt. Auch sie werden von MISEREOR getragen und finanziert. Damit die Kontakte nach Lukuledi nicht abreißen, gibt es regen Briefverkehr. Und nachdem vor zwei Jahren fünf Schüler der Oberstufe zusammen mit Schulpfarrer Konrad Köster in Tansania waren, bereitet sich derzeit wieder eine Gruppe von Fürstenbergern auf die Reise nach Tansania vor. Diesmal werden Michael Göcke und seine Frau Agnes fach- und sachkundige Mitreisende sein. Schüler der Mittel- und Oberstufe und Schulpfarrer Konrad Köster Quelle: Artikel aus dem Jahrbuch 1988/89
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